Grome Harvest

Unser globales Lebensmittel- und Ernährungssystem steht auf tönernen Füßen und viele Menschen haben keinen Bezug mehr zu dem, was sie tagtäglich konsumieren. Die Probleme, die aus der Distanz zwischen Produktion und Konsum erwachsen, sind scheinbar latent, doch wir alle haben täglich Einfluss auf ihr Ausmaß und können etwas bewirken.

In diesem Artikel dreht sich alles um ein trauriges Thema - Lebensmittelverschwendung. Wir beschäftigen uns mit der Frage, welche Ursachen und Konsequenzen die immense Verschwendung vor allem in den Industriestaaten hat und was mögliche Lösungen sein könnten. Lasst uns mit einigen Zahlen und Fakten starten, die das Problem beschreiben, bevor wir uns den Lösungsansätzen zuwenden.

Insgesamt kommen laut der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen 30% der produzierten Lebensmittel weltweit nicht dort an, wo sie gebraucht werden. Das sind 1,3 Milliarden Tonnen um genau zu sein. Jede Sekunde gehen damit sechs mit noch essbaren Lebensmitteln voll beladene Müllwagen verloren; oder anders ausgedrückt ein sozialer, ökologischer und ökonomischer Wert von 2,25 Billionen Euro. Damit könnten 3 Milliarden Menschen ernährt werden, also fast dreimal so viele wie zru zeit an Unterernährung leiden.

Die Gründe und Einflussfaktoren dieser immensen Verschwendung sind sehr vielfältig. Zum einen ist die Infrastruktur gerade in produzierenden Ländern in den Tropen nur mangelhaft ausgebaut, weshalb heimische Bauern oft lange Wege hin zu lokalen Verkaufsstellen zurücklegen müssen. In Kombination mit sich ständig verändernde Lagerbedingungen, führt dies dazu, dass die Ware unterwegs verdirbt oder nicht frisch auf dem lokalen Markt eintrifft. Zum anderen haben gerade kleinere Dörfer abseits jeglicher Straßen oft gar nicht erst die Möglichkeit diese Märkte zu erreichen. Für den größten Teil der Lebensmittelverschwendung tragen jedoch wir Verbraucher die Verantwortung - durch unseren sorglosen und verschwenderischen Umgang mit Lebensmitteln.

Wäre die Nahrungsmittelindustrie, von Landwirtschaft bis zur Verarbeitung, ein Land, so wäre es der drittgrößte CO2 Emittent weltweit nach den USA und China. Allein die Landwirtschaft ist für 23% der weltweiten Treibhausgase verantwortlich und nur die Produktion der von Konsumenten verschwendeten Lebensmittel (s.o.) verursacht 14% der globalen CO2 Emissionen.

Einerseits verlässt sich der globale Norden auf die Lebensmittel und Produkte aus Übersee, die dann dort vor Ort fehlen oder in Konkurrenz zum Anbau lebenswichtiger Nahrung stehen. Diese Grafik der FAO (2011) veranschaulicht diese globale Divergenz sehr eindeutig.

Nicht nur das globale Gleichgewicht, die Natur oder andere Faktoren leiden. Auch ökonomisch ist es ein Problem für jeden Einzelnen. Die Missstände im Lebensmittelsystem sind nicht nur einer der größten Antreiber des Klimawandels, sondern sind auch der größte Verursacher für schwerwiegende gesundheitliche Probleme. Laut einer aktuellen Studie wandern pro Person in Deutschland Lebensmittel im Wert von 235€ in den Müll.

Mit 45% Verlust, sind Obst und Gemüse am stärksten betroffen. 10-20% werden schon vor dem Verkauf aussortiert, weil sie nicht den strengen optischen Kriterien der Großmärkte entsprechen. Bei ca 30% nutzen die Konsumenten nicht alles, kaufen nicht passend ein oder missinterpretieren Mindesthaltbarkeitsdaten. Allein hierdurch liegt die jährliche Verschwendung noch essbarer Lebensmittel in Deutschland bei jährlich rund 10 Millionen Tonnen.

Das waren jetzt viele Zahlen und Fakten - also erstmal kurz durchatmen.

Warum passiert das alles? Liegt es daran, dass die Gesellschaft den emotionalen Kontakt zu ihrer Nahrung verliert?  Fehlt die Lust auf den Geschmack oder sogar das Bewusstsein für diesen? Oder fehlt sogar der Geschmack komplett, da Gemüse in industrieller Überzüchtung nicht mehr so seinen Geschmack entfalten kann wie einst?

Letztendlich müssen wir als Konsumenten des globalen Nordens individuell in uns gehen und uns fragen woran es bei uns liegt. Was bedeutet die Situation jetzt für jeden einzelnen von uns? Wer kann wie etwas tun? Wo können wir konkret Veränderungen in unserem Lebenswandel vornehmen, um etwas zu der Lösung beizutragen? Der Folgende Teil des Textes soll einige Anstöße auf generischem Niveau geben.

Die Wissenschaft ist sich einig, dass es nicht das eine Wundermittel gibt, das alles zurechtrücken kann. HInzu kommt, dass sowohl das verständliche Streben nach Gewinnmaximierung auf Produzentenseite in der Lieferkette, als auch die Maximierung des Wohlbefindens auf Konsumentenseite dafür sorgen, dass Verluste nicht vollkommen zu vermeiden sind. Doch viele kleine Schritte aus verschiedenen Bereichen und vor allem auf lokaler Ebene können ihren Beitrag dazu leisten, Vermeidbares einzudämmen und die einzelnen Akteure zu sensibilisieren. Nötig ist es bis 2030 mindestens 50% der Lebensmittelverschwendung einzudämmen, damit das System weiter funktionieren kann - das Entspricht dem Sustainable Development Goal 12(.3).

Ein zentraler Schritt ist die Ernährung. Laut mehrere Studien können die Ziele durch bewussten Konsum von ca. 40%-50% gemüsebasierten Gerichten erreicht werden. Bis 2050 müssten es 75% sein. Gemüse nimmt deshalb so eine zentrale Rolle ein, da es mehr Nährstoffe und Vitamine beinhaltet als Obst (z.B. die Kartoffel hat mehr Vitamin C als ein Apfel) und in fast jeder bevölkerten Region der Welt, in der einen oder anderen Form in lebendigen Mischkulturen angebaut werden kann. Daraus ergibt sich der optimale globale Ernährungsplan wie hier schematisch abgebildet.

Aber eine optimale Ernährung ist eben nur eine Folge von vielen anderen Aktivitäten. Daher hat die Food & Landuse Coaliton (FOLU) in ihrem letzten großen Report einen 10 Punkte Plan aufgestellt, der abstrahierte globale Lösungen aufzeigt - mit der gesunden und umweltbewussten Ernährung als krönende Spitze. Die unteren Ebenen lassen sich sehr einfach und effizient erreichen. Wenn jede Gesellschaft auf der Welt es schafft, bewusste und gesunde Konsumentscheidungen zu treffen, sind erste Fortschritte laut den Autoren schnell erreichbar. Besonders die Industriestaaten sind hier zunächst gefragt, bevor auch andere Länder folgen müssen.

Diese Pyramide baut stark auf die Kraft der Konsumenten. Sie bilden auch bei kleinen Veränderungen des Einzelnen allein durch ihre Masse immense Skaleneffekte. In den entwickelten Industrienationen der OECD allein lebt ja schon ein siebtel der aktuellen Weltbevölkerung mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil am globalen Konsum. Damit haben die letzten Glieder der globalen Food Supply Chain großen Einfluss auf die rund um die Ernährung angesiedelten Industrien und ganz besonder auch auf die Natur. Regenerative und lokale Landwirtschaft z.B wäre plötzlich kein immenses Risiko mehr, wenn die Meisten ihrer Lebensregion oder dem eigenen Anbau entsprechend saisonal kochen und essen würden. Es ist also wichtig, sich auf die Wurzeln der sesshaften Gesellschaft zurück zu besinnen und anzufangen mit modernsten Mitteln ein Gleichgewicht zwischen globaler Lebensweise und sicherer, lokaler Ernährung zu finden. Der lokale, umweltfreundliche Anbau von Lebensmitteln - speziell im urbanen Raum - hilft Vielen zu mehr Selbstständigkeit und verringert auch die Abhängigkeiten der Gesellschaft als Ganzes von überregionalen Lieferungen. Gerade in Zeiten wie diesen und nach einem oft anders als normalerweise verbrachten Osterfest, kann gemeinsame Gartenarbeit zurück zu fast verloren geglaubtem Wissen und einer neuerlichen, inspirierenden Verbindung zur Natur führen.

EIne mögliche Lösung: Eine möglichst Erzeuger:innennahe Ernährung nach dem Field-toFort oder Farm-to table Ansatz: 

Der Begriff „Farm-to-Table“ sagt Dir bestimmt etwas, ist bestimmt schon einmal im Fernsehen oder Social Media aufgetaucht, aber weißt du wirklich was dahinter steckt und warum diese kulinarische Besonderheit zu einem der größten Hypes in der Gastronomie-Szene von New York wurde? Die Bewegung ist so stark, dass die Restaurants, die Farm-to-Table Speisekarten führen, Monate im Voraus ausgebucht sind.

Farm-to-Table, oder auch farm-to-fork genannt, starte schon in den 60er und 70er Jahren an der US Amerikanischen Westküste. Die Idee war konzipiert für eine nachhaltige und theoretisch auch sebstversorgerische Ernährung im Privaten, aber schon 1971 öffnete in Berkeley das erste Restaurant. Die Motivation des Kochs, dieses Konzept in seine Gerichte aufzunehmen, war es möglichst viele lokal angebaute Zutaten zu verwenden, weil diese besonders frisch und geschmacksintensiv in seiner Küche ankommen konnten. Ihm taten es nach und nach immer mehr Gastronomen gleich. So entstand eine Bewegung, die langsam, aber stetig wuchs und an Bedeutung zunahm. In den frühen 2000er Jahren dann kam es zu der ersten wirklichen „Explosion“. Eine Welle von Farm-to-Table Restaurants schwappte über die gesamten USA und auch weiter nach Europa.

Leider nutzen viele Betreiber diese Euphorie auch aus, um sich selber als „lokal“ und „nachhaltig“ zu bewerben, ohne die Werte dahinter wirklich zu leben – geschweige denn lokale Lebensmittel zu verwenden. Über die Jahre seitdem hat sich der Markt und das Interesse stabilisiert, der Hype ist etwas verschwunden, und so blieben die relativ ehrlichen Restaurants oder jene, die einen Mittelweg gefunden haben.

Wie passt nun GROME in dieses Bild?

Es gibt einige Gründe, die verdeutlichen, warum sich die Bewegung nie wirklich vollkommen in der professionellen Gastronomie durchsetzen konnte. Einige sind zum Beispiel:

  1. Restaurants können durch den saisonalen Wandel der Produkte keine beständige Speisekarte gewährleisten, manchmal kommt es sogar zu täglichen Wechseln. Das verschreckt Kunden.
  2. Konsequent alles lokal zu beziehen macht die Gerichte zwar frischer, aber auch teurer, da die Betreiber der partizipierenden Höfe oft keine Massenware produzieren und direkt abgeben. Diese höheren Einkaufspreise reduzieren entweder die Marge oder die Zielgruppe.
  3. Der Mittelweg ist oft nicht wirklich lukrativ, weil er weder die Anhänger der Bewegung noch kostensensible Kunden anzieht. Auch das ist wirtschaftlich für das Restaurant eher ein Verlustgeschäft.

Um die Ideale der Bewegung wieder in den Vordergrund zu rücken und sie ihr vollen kulinarisches wie klimapolitisches Potenzial entfalten zu lassen, muss sie mehr als Einstellung für den privaten Konsum, als für den Großmarkt genutzt werden. Nur so können nachhaltige, lokale, kleine Produzenten die Dinge produzieren, die wirkliche schmecken und einen Unterschied machen.

In diesem Sinne meint Farm-to-Table, dass die Menschen in direkten Kontakt mit ihrem Erzeuger kommen und die Art und Weise wie ihre Lebensmittel entstehen kennenlernen müssen. Vor Ort sollte es dann direkt die Möglichkeit geben, gemeinsam mit einem Profi das frisch Geerntete direkt zuzubereiten. Dabei geht es bei den Gerichten vor allem um natürliche und wenig verfälschte Geschmackserlebnisse, die von den Zutaten von „einfachen“ Gerichten herrühren. Genau das können und möchten wir bei unseren Teamaktivitäten bieten. Wir möchten Menschen inspirieren, sich ihre Lebensmittel lokal zu beziehen; sei es auf dem Wochenmarkt, bei der örtlichen Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) oder mit einer Parzelle im Mitmachgarten. So kann wieder eine Bewegung entstehen, wie sie ursprünglich gedacht war: Weg vom Massenmarkt und hin zu einer vielseitigen, dezentralisiert-partizipativen und kleinteiligen Lebensmittelproduktion.

GROME ist tief mit den Idealen und Wurzeln dieser Lebensweise verbunden. Alles, was wir zu erreichen versuchen geht Hand in Hand mit der Farm-to-Table Idee. Wir wollen in der ersten Reihe für eine regenerative, Überfluss vermeidende, aber ganzjährig versorgende Landwirtschaft ackern. Jetzt, da wir uns dem Herbst nähern, bereiten wir bei GROME uns auf entsprechende „one-time events“ und Workshops vor, die noch bis Mitte November gebucht werden können. Sprich uns einfach unter info@grome-harvest.de an. Danach genießen wir das Wintergemüse und freuen uns auf die Geschmäcker des Frühlings. Vielleicht auch mit Dir bei uns auf dem Feld?

Quellen:

  • http://www.fao.org/save-food/resources/en/
  • https://www.ellenmacarthurfoundation.org/explore/food-cities-the-circular-economy
  • EAT. 2019. “Summary Report of the EAT-Lancet Commission.” (2019)
  • FAO. Global food losses and food waste – Extent, causes and prevention. Rome (2011)
  • FAO. The State of Food and Agriculture 2019 - Moving forward on food loss and waste reduction. Rome (2019)
  • FOLU “Growing Better: Ten Critical Transitions to Transform Food and Land Use” FOLU (2019)
  • Gaffney, O., et al. “Meeting the 1.5°C Climate Ambition.” (2019)
  • IPCC “Climate Change and Land: an IPCC special report on climate change, desertification, land degradation, sustainable land management, food security, and greenhouse gas fluxes in terrestrial ecosystems” (2019)
  • OECD (2020), Population (indicator). doi: 10.1787/d434f82b-en (Accessed on 12 April 2020)
  • Willett, Walter, et al. “Food in the Anthropocene: the EAT–Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems.” The Lancet 393.10170 (2019): 447-492

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